Mutter sitzt mit Laptop auf der Couch, neben ihr sitzt Grundschulkind mit Tablet und beide wirken gestresst

Studie zu Stress bei Müttern: Mädchen gelassener als Jungen

Wie wirkt sich akuter Stress bei Müttern auf die Kinder aus und reagieren Mädchen anders als Jungen? Mit diesen Fragen befasste sich eine von der DFG* geförderten Studie des Uniklinikums Jena und des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig (MPG) um Veronika Engert, Professorin für soziale Neurowissenschaften - veröffentlicht im „Journal of Experimental Psychology: General“.

In jeder Familie geht es mal stressig zu. Gerade Mütter müssen viele Dinge auf einmal stemmen: Beruf, Care-Arbeit, Haushalt, Freizeitplanung, Mental Load – aber können Kinder den mütterlichen Stress nachempfinden und falls ja - geht das eigentlich spurlos an Kindern vorbei oder kann es zur Belastung werden? Das klärt in Teilen die folgende Studie.

Wie lief die Stress-Studie ab?

An der Studie nahmen 76 Mütter und ihre Kinder im Alter zwischen acht und zwölf Jahren teil. Eine Hälfte der Kinder beobachtete ihre Mütter in einer akuten Stresssituation beziehungsweise während eines Stresstests. Die andere Hälfte hörte ihren Müttern beim Vorlesen zu. 

Vier Stressindikatoren

Das Forscherteam nutzte für die Studie vier Stressindikatoren, um das Stresslevel der Mütter und Kinder zu messen und zu vergleichen:
 

  • den Cortisol-Spiegel - das Hormon Cortisol wird vom Körper vermehrt bei Stress ausgeschüttet und wird deshalb auch Stresshormon genannt.
  • den Pulsschlag (Herzrate) – je aufgewühlter wir sind, desto schneller schlägt unser Herz
  • die Herzratenvariabilität (kurz HRV– engl. heart-rate variability) - zeigt die Veränderung der Abstände der einzelnen Herzschläge an. Je niedriger die HRV, desto höher ist unser Stresslevel.
  • subjektives Stressempfinden - von Müttern und Kindern anhand einer Skala (von eins bis sieben) bewertet.

Mithilfe eines Fragebogens bekamen die Wissenschaftler*innen ergänzend einen Eindruck vom subjektiven Empathieempfinden der Proband*innen. 

Junge Frau beim Yoga.

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Leistungsübersicht

Ergebnisse der Studie

Emotionale und physiologische Stressübertragung

Alle Kinder konnten den Stress der Mütter subjektiv und körperlich messbar nachempfinden und zeigen Stress-Empathie: „Kinder fühlen den akuten Stress ihrer Mütter sowohl emotional als auch physiologisch mit",so Jost Blasberg, Psychologe und Erstautor der Studie.*

Pressemitteilung zur Studie des Uniklinikums Jena

Jungen reagieren gestresster als Mädchen

Auffällig war dabei, dass Jungen stärker auf den mütterlichen Stress reagierten als Mädchen.

So schütteten die Jungen, die ihre Mütter während des Stresstests beobachteten, mehr Kortisol aus als Mädchen gleichen Alters.

Die Herzratenvariabilität fiel ebenfalls stärker und proportional zu ihren Müttern als bei gleichaltrigen Mädchen in der „Stressgruppe“ ab. Am niedrigsten war sie bei Kindern, die sehr empathisch waren, sich also sehr gut in andere Menschen hineinversetzen konnten.

Warum Jungen stärker reagieren als Mädchen, müssen weitere Forschungen zeigen.

Jüngere Kinder reagieren mehr auf Stress bei Müttern als ältere

Außerdem kamen die Wissenschaftler*innen zu dem Ergebnis, dass die jüngeren Kinder eher den mütterlichen Stress nachempfinden als Kinder im mittleren Alter. Dass ältere Kinder in einem geringeren Maße auf Stress bei Müttern reagierten, überraschte die Forschergruppe.

Alle Kinder können Stress nachempfinden

„Gezeigt hat sich aber auch, dass sich die Kinder in ihre Mütter hineinversetzen und ihren Stress nachempfinden können. Das ist gut, denn wer Stress nachempfinden kann, ist eher gewillt, anderen zu helfen", sagt Jost Blasberg.

Pressemitteilung

Wann ist Stressübetragung in Familien zu viel?

Schaffen wir es als Eltern, unser Kind für unser oder das Befinden anderer zu sensibilisieren, ihnen aber gleichermaßen nicht zu viele Sorgen und Verantwortung aufzubürden, ist eine empathische Stresserfahrung etwas Positives, da es Kinder darin unterstützt, zu mitfühlenden und verständnisvollen – also empathischen Menschen zu werden.

Dass Kinder den Stress ihrer Mütter nachempfinden können, kann sich allerdings auch negativ auf die kindliche Entwicklung auswirken, betont auch Prof. Veronika Engert, Leiterin der Arbeitsgruppe Soziale Neurowissenschaft.

Beispielsweise dann, wenn ...
 

  • das Stresslevel in den Familien langfristig erhöht ist.
  • es zu einer ungerechtfertigten Aktivierung des Stressempfindens kommt – Körper und Geist also immer in Alarmbereitschaft sind und überreagieren, weil das Nervensystem überreizt ist. So wird chronischer Stress beispielsweise von sehr empathischen Kindern (z. B. durch Hochsensibilität) oder bei übermäßig wachsamen Kindern (Hypervigilanz – entsteht durch traumatische Erfahrungen) noch stärker wahrgenommen und ihr Nervensystem noch stärker überreizt.
  • weil sich Kinder generell schnell für das Glück der Eltern verantwortlich fühlen und damit schlussendlich auch ihr eigenes Überleben und Glück sichern müssen. Parentifizierte Kinder sind davon ebenfalls noch stärker betroffen.

Weitere Forschung geplant

Um herauszufinden, welche Auswirkungen empathische Stressübertragung in der Familie langfristig hat, sind weitere Forschungen notwendig. So soll beispielsweise eine Anschlussstudie mit Teenagern im Alter zwischen 13 und 16 Jahren folgen. Auch soll untersucht werden, welche Auswirkungen väterlicher Stress auf Kinder hat.

Hier geht's zur kompletten Studie doi: 10.1037/xge0001430.

*DFG: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert Wissenschaft und Forschung in Deutschland.
 

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