
Was steckt hinter der Diagnose Anorexia nervosa?
Anorexia nervosa ist eine nervlich bedingte Appetitlosigkeit, die in einer psychogenen Essstörung und einer gestörten Wahrnehmung des eigenen Körpers mündet. Betroffene fügen sich einen starken Gewichtsverlust zu. Sie leiden unter der Angst, als zu dick angesehen zu werden. Deshalb wird die Krankheit auch als Magersucht bezeichnet. Sie tritt überwiegend im jugendlichen Alter auf, wobei Mädchen 10 bis 15 Mal häufiger erkranken als Jungen. Patientinnen und Patienten sind im Schnitt 15,5 Jahre alt, wenn Anorexia nervosa erstmalig diagnostiziert wird. Die Diagnose gilt als schwere psychosomatische Erkrankung mit hoher Rückfallquote und Sterblichkeitsrate.
Wie hilft das Innovationsfondsprojekt FIAT?
Das Innovationsfondsprojekt FIAT untersucht, ob eine telemedizinische Familien-Basierte Therapie (FBT) eine wirksame Alternative zur stationären Behandlung sein kann. Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 17 Jahren werden bei der Diagnose Anorexia nervosa im Projekt FIAT anstatt im Krankenhaus vorwiegend in ihrem familiären Umfeld und im vertrauten Zuhause von speziell ausgebildeten FBT-Therapeuten betreut. Die FBT erfolgt dabei als Videotelefonie während ärztliche Untersuchungen ambulant und vor Ort in den am Projekt teilnehmenden Kliniken erbracht werden. Es bilden sich multiprofessionelle Teams aus Psychologen, Psychiatern, Pädiatern und Ernährungsberatern, die vernetzt zusammenarbeiten und eine qualitativ hochwertige Behandlung sicherstellen.
Die FBT wird im deutschen Gesundheitssystem bislang kaum angeboten. Stattdessen werden betroffene Kinder und Jugendliche bei dieser Diagnose über einen längeren Zeitraum stationär in einer Klinik behandelt. Dieser medizinisch notwendige Schritt führt leider auch dazu, dass Kinder aus der Familie und dem Zuhause gezogen werden. Diese Situation ist nicht nur emotional belastend für alle Familienmitglieder. Die in der stationären Therapie erzielten Erfolge lassen sich für Kinder oftmals nur schwer in den gewöhnlichen Alltag rund um Familie, Schule und Freunde übertragen. Genauso ist die Familie nicht in Therapieprozesse einbezogen. Das führt zu hohen Rückfallquoten.
Die FBT soll Kinder und Jugendliche mit ihrem ambulanten Behandlungsansatz im Alltag halten. Mit Videotelefonie und Arztbesuchen wird eine vernetzte Betreuung aufgebaut, die einer stationären Behandlung qualitativ in nichts nachstehen soll. Dass FBT als Alternative zur stationären Behandlung zu großen Erfolgen führen kann, haben Studien in anderen Ländern wie England, USA und Australien bereits gezeigt.
Welche direkten Vorteile bietet die FBT für Kinder und Jugendliche?
Vermeidung oder Verkürzung vollstationärer Krankenhausaufenthalte. Das Rückfallrisiko wird gesenkt. Die Betreuung findet im vertrauten Zuhause und familiären Umfeld statt. Therapieerfolge werden direkt in den gewöhnlichen Alltag eingebettet. Familie gibt emotionalen Halt und ist in die Behandlung eingebunden.
Welche therapeutischen Ziele strebt die FBT an?
- Ein normales Körpergewicht für Kinder und Jugendliche aufbauen.
- Eigenverantwortung und Körperwahrnehmung in Bezug aus Essgewohnheiten stärken.
- Die Herausforderungen des Alltags langfristig eigenständig meistern.
- Mehr zum Projekt FIAT Das Projekt „FIAT“ wird durch den Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Rahmen des Innovationsfonds nach § 92a SGB V als neue Versorgungsform gefördert und wird von der BIG als Partnerin unterstützt. Mehr zur Evaluation der Ziele durch den Gemeinsamen Bundesausschuss erfahren Sie hier.
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Wie können Kinder und Jugendliche teilnehmen?
Kinder sowie Jugendliche zwischen 8 und 17 Jahren mit der Hauptdiagnose Anorexia nervosa (Magersucht) und der Notwendigkeit einer stationären Behandlung können in teilnehmenden Kliniken in das Innovationsfondsprojekt FIAT eingeschrieben werden. Damit die FBT-Sitzungen via Videotelefonie stattfinden können, müssen zu Hause die technischen Voraussetzungen dafür vorliegen. Dies wird vor der Teilnahme getestet. Die Familie muss zudem dazu bereit sein, die Wege zu den Vor-Ort-Behandlungen zurückzulegen.
Sukzessive werden Kliniken in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen mit der Versorgung starten. Weitere Informationen, auch zu den teilnehmenden Kliniken, finden Sie auf der Internetseite der FIAT-Studie.
Das Projekt ist zeitlich begrenzt. Eine Teilnahme ist bis zum 31.03.2026 möglich.
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Studienablauf
Die Wirkung des neuen Versorgungsangebotes wird durch eine randomisierte kontrollierte Studie (RCT) wissenschaftlich untersucht. Randomisierung bedeutet, dass die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt werden.
Die Teilnehmenden der ersten Gruppe erhalten die Versorgung des zu untersuchenden Versorgungsansatzes FBT. Die Teilnehmenden der zweiten Gruppe erhalten wie geplant und unverändert die stationäre Behandlung in der teilnehmenden Klinik. Das bedeutet, dass kein Anspruch auf eine Versorgung mit FBT im Rahmen des FIAT-Projekts besteht.