Minimales Überschreiten des Entgelts der höchsten Tarifgruppe kann Außertariflichkeit bedeuten

Werden in einem Tarifvertrag außertarifliche Angestellte als Arbeitnehmer definiert, deren geldwerte materielle Arbeitsbedingungen die höchste tarifliche Entgeltgruppe regelmäßig überschreiten, ohne dass ein bestimmter prozentualer Abstand vereinbart wurde, dann genügt dafür jedes – auch nur geringfügige – Überschreiten. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Im vorliegenden Fall hatte ein Entwicklungsingenieur geklagt, der seit Juni 2022 auf Grundlage eines als „außertariflich“ bezeichneten Arbeitsvertrags beschäftigt ist. Sein Brutto-Monatsgehalt in Höhe von 8.212 Euro lag nur geringfügig über dem Entgelt der höchsten tariflichen Entgeltgruppe, das – hochgerechnet auf 40 Wochenstunden – 8.210,64 Euro brutto betrug. In seinem Beschäftigungsunternehmen sind die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen anwendbar. Diese gelten jedoch nicht für Beschäftigte, deren „geldwerte materielle Arbeitsbedingungen unter Berücksichtigung einer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 40 Stunden in einer Gesamtschau diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe regelmäßig überschreiten“.

Der Kläger forderte eine höhere Vergütung und argumentierte, dass ein solches Überschreiten in Anbetracht der prozentualen Abstände zwischen den tariflichen Entgeltgruppen nur angenommen werden könne, wenn das Monatsgehalt des außertariflichen Angestellten 23,45 Prozent über demjenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe liege. Dies ergebe bei ihm ein Bruttomonatsgehalt von 10.136,03 Euro. Er forderte von seinem Arbeitgeber eine Lohnnachzahlung für die Monate Juni 2022 bis Februar 2023 von insgesamt 17.326,27 Euro brutto.

Sowohl die beiden Vorinstanzen als auch das BAG haben die Klage abgewiesen. Grundsätzlich begründet der Status als außertariflicher Angestellter einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf eine Vergütung, die einen tarifvertraglich vorgeschriebenen Abstand zur höchsten tariflichen Vergütung wahrt. Wenn der anwendbare Tarifvertrag jedoch keine solche „Abstandsklausel" enthält, genügt nach Ansicht des BAG jedes – und damit auch ein geringfügiges – Überschreiten des höchsten tariflichen Entgelts. Wollen die Tarifvertragsparteien einen bestimmten prozentualen Abstand zwischen dem höchsten Tarifentgelt und dem Entgelt außertariflicher Beschäftigter erreichen, müssen sie eine hinreichend klar und deutlich formulierte tarifliche „Abstandsklausel" in den Tarifvertrag aufnehmen, befand das BAG. Die durch Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz garantierte Tarifautonomie verbiete ein Nachbessern tariflicher Bestimmungen durch die Gerichte zugunsten der einen oder anderen Seite.

Quelle: BAG, Urteil vom 23. Oktober 2024, 5 AZR 82/24