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AD(H)S - Zappelphilipp oder Hans-guck-in-die-Luft?

Früher galten Kinder, die verhaltensauffällig waren, als unerzogen. Heute hat man einen Namen dafür: ADS ist ein Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom. Kommt eine Hyperaktivität hinzu, spricht man von ADHS, einem Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom. Man geht davon aus, dass insgesamt zwei bis sechs Prozent der Kinder davon betroffen sind.

ADS und ADHS – zwei verschiedene Extreme

Die hypoaktiven ADSler sind so durch das Umfeld reizüberflutet, dass sie sich in ihre eigene Welt zurückziehen. Sie wirken verträumt und oft abwesend, sind eher ruhig und langsam und neigen zu Flüchtigkeitsfehler. Für die hyperaktiven ADHSler hingegen ist Bewegung ein Muss. Sie sind impulsiv, unruhig, zappelig, stören den Unterricht und können nicht still sitzen. Sie sprechen ununterbrochen, hören nicht zu, können nicht abwarten und unterbrechen andere im Gespräch.

Gemeinsamkeiten beider Ausprägungen

In beiden Formen sind gleiche Auffälligkeiten zu finden. Diese zeigen sich in schneller Ablenkbarkeit und geringer Ausdauer. In ihrer Grob- und Feinmotorik sind sie ungeschickt. AD(H)Sler können sich nur kurz auf eine Sache konzentrieren und haben Probleme, alltägliche Handlungen in einer kontrollierten Abfolge durchzuführen. Durch die häufigen Stimmungsschwankungen ist das Miteinander oft problematisch – Kontaktschwierigkeiten sind daher vorprogrammiert.

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Betroffene leiden unter ihrer Störung

Da sich Kinder mit ADS und ADHS nur schwer konzentrieren können und leicht ablenkbar sind, bewältigen sie ihre Aufgaben in der Schule meist nur mit großer Mühe. Dadurch bleiben Schüler häufig hinter ihren Möglichkeiten zurück. Das führt zu schwankenden Leistungen und unbefriedigenden Noten. Auch zuhause können sich schwierige familiäre Situationen entwickeln, die für die ganze Famiie eine Herausforderung sind. Eltern werden häufig für das Verhalten des Kindes verantwortlich gemacht und stehen in der Kritik. Sie müssen den täglichen Kampf um Regeln oder einfache Handlungsabläufe überstehen.

AD(H)S – eine frühzeitige Diagnose hilft

Den Beteiligten kann sehr viel Leid erspart bleiben, wenn die Diagnose AD(H)S frühzeitig erkannt wird. Meist wird sie erst bei Schuleintritt gestellt, da die Verhaltensstörungen sich hier voll offenbaren. Wenn die beschriebenen Symptome mindestens sechs Monate in verschiedenen Lebensbereichen auftreten, sollte man den Gang zum Kinderarzt nicht scheuen. Dabei werden die Familie, der Kindergarten oder die Schule über die Entwicklung des Kindes anhand von Fragebögen befragt.

Welche Ursachen liegen ADHS zugrunde?

ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) hat keine einzelne, klar definierte Ursache. Vielmehr geht man heute von einer Kombination verschiedener Faktoren aus, die zur Entstehung der Störung beitragen. Dazu gehören:

  • Genetische Faktoren:Studien zeigen, dass ADHS in Familien gehäuft auftritt. Kinder, deren Eltern oder Geschwister ADHS haben, haben ein höheres Risiko, ebenfalls betroffen zu sein. Wissenschaftler vermuten, dass bestimmte Genvarianten die Gehirnfunktion beeinflussen und zur Entwicklung von ADHS beitragen können.
  • Neurobiologische Ursachen:Forschungen deuten darauf hin, dass bei Kindern mit ADHS bestimmte Botenstoffe im Gehirn, insbesondere Dopamin und Noradrenalin, anders wirken. Diese Neurotransmitter sind wichtig für die Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und Reizverarbeitung. Auch Unterschiede in der Aktivität und Struktur bestimmter Hirnregionen, wie des präfrontalen Kortex, werden beobachtet.
  • Umweltfaktoren:Bestimmte Einflüsse während der Schwangerschaft und frühen Kindheit können das Risiko für ADHS erhöhen. Dazu gehören Rauchen oder Alkoholkonsum der Mutter in der Schwangerschaft, Frühgeburten oder ein niedriges Geburtsgewicht. Auch Schadstoffe in der Umwelt, wie Blei oder andere Toxine, stehen im Verdacht, die Gehirnentwicklung zu beeinflussen.
  • Psychosoziale Faktoren:Stressreiche Familienverhältnisse, ein Mangel an Struktur oder emotionale Belastungen können ADHS-Symptome verstärken. Allerdings sind sie eher als verstärkende als als direkte Ursachen anzusehen.

ADHS ist also das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels aus genetischen, biologischen und Umweltfaktoren. Wichtig ist, dass Eltern und Betroffene wissen: ADHS ist keine Erziehungsfehler, sondern eine ernstzunehmende neurobiologische Störung, die gezielt behandelt werden kann.

Diagnose von ADHS: Wie wird die Störung festgestellt?

ADHS zu diagnostizieren, ist komplex und erfordert eine umfassende Untersuchung durch Fachärzte oder spezialisierte Psychologen. Es gibt keinen einzelnen Test, der ADHS eindeutig nachweist. Stattdessen basiert die Diagnose auf einer Kombination verschiedener Verfahren:

  • Anamnese und Gespräche Ein ausführliches Gespräch mit den Eltern, Lehrkräften und dem betroffenen Kind steht am Anfang der Diagnostik. Dabei werden Entwicklungsgeschichte, Verhalten im Alltag und schulische Leistungen besprochen.
  • Beobachtung des Kindes Ärzte oder Psychologen beobachten das Kind in unterschiedlichen Situationen, um typische ADHS-Symptome wie Konzentrationsprobleme, Impulsivität oder Hyperaktivität zu erkennen.
  • Standardisierte Fragebögen und Tests Eltern und Lehrkräfte füllen spezielle Fragebögen aus, die Hinweise auf ADHS geben. Zudem können psychologische Tests eingesetzt werden, um Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Impulskontrolle zu prüfen.
  • Ausschluss anderer Ursachen Ähnliche Symptome können auch durch Seh- oder Hörprobleme, Schilddrüsenstörungen oder psychische Belastungen entstehen. Daher werden körperliche Untersuchungen durchgeführt, um andere Ursachen auszuschließen.
  • Diagnose nach internationalen Kriterien Die Diagnose erfolgt nach den Kriterien des internationalen Klassifikationssystems ICD-10 oder der DSM-5-Richtlinien. Dabei müssen die Symptome seit mindestens sechs Monaten bestehen und das Alltagsleben des Kindes erheblich beeinträchtigen.

    Je früher ADHS erkannt wird, desto besser lassen sich individuelle Fördermaßnahmen und Therapien entwickeln. Falls du bei deinem Kind Symptome bemerkst, kann ein Kinderarzt oder Psychologe helfen, Klarheit zu schaffen.

Therapieansätze bei ADHS

ADHS kann nicht „geheilt“ werden, aber mit der richtigen Behandlung lassen sich die Symptome gut in den Griff bekommen. Die Therapie wird individuell an das Kind angepasst und setzt sich meist aus mehreren Bausteinen zusammen:

  • Verhaltenstherapie Die Verhaltenstherapie hilft Kindern, Impulse besser zu kontrollieren, ihre Aufmerksamkeit zu steigern und soziale Fähigkeiten zu verbessern. Dabei lernen sie z. B. durch Belohnungssysteme, sich selbst besser zu steuern. Auch Eltern und Lehrkräfte werden oft in das Training einbezogen.
  • Eltern- und Lehrertraining ADHS betrifft nicht nur das Kind, sondern auch sein Umfeld. Spezielle Trainings helfen Eltern und Lehrkräften, mit herausforderndem Verhalten umzugehen, klare Strukturen zu schaffen und positive Verstärkung gezielt einzusetzen.
  • Medikamentöse Therapie In schweren Fällen können Medikamente wie Methylphenidat (z. B. Ritalin) oder andere Wirkstoffe helfen, die Aufmerksamkeit zu verbessern und Impulsivität zu reduzieren. Die Entscheidung für eine medikamentöse Behandlung wird sorgfältig abgewogen und regelmäßig überwacht.
  • Ergotherapie und Coaching Ergotherapie kann Kindern helfen, ihre motorischen Fähigkeiten und ihre Wahrnehmung zu verbessern. Ein spezielles ADHS-Coaching kann zudem Strategien vermitteln, um den Alltag besser zu bewältigen.
  • Schulische Unterstützung Kinder mit ADHS brauchen oft besondere Unterstützung im schulischen Umfeld, z. B. Nachteilsausgleiche, individuelle Lernstrategien oder kleinere Lerngruppen. Hier können Schulpsychologen oder Förderlehrkräfte helfen.
  • Ernährung und Bewegung Studien zeigen, dass eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung helfen können, ADHS-Symptome zu mildern. Besonders Omega-3-Fettsäuren, viel frische Luft und Sportarten wie Schwimmen oder Kampfsport können sich positiv auswirken.

ADHS ist nicht neu

Die Symptome einer ADHS waren aber schon lange beschrieben, bevor diese gefunden wurde. Erste Belege reichen bis ins 17. Jahrhundert zurück zum Leibarzt von Kaiser Napoleon I. Der Frankfurter Nervenarzt Heinrich Hoffmann beschrieb die Symptome eher anekdotisch 1845 in seinem Struwwelpeter. Es handelt sich übrigens keineswegs um ein Erscheinungsbild, das nur in den westlichen Ländern vorkommt. Das Problem wird weltweit beobachtet und erforscht. Dennoch ist bisher keine Heilung bekannt. Zwar verändern sich die Erscheinungsformen mit dem Älterwerden, so verliert sich in der Pubertät meist die überschießende Motorik und macht einer gewissen Passivität Platz. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde geht davon aus, dass zwischen 2,5 bis 4 Prozent aller Erwachsenen an ADHS leiden.

FAQ zum Thema ADHS bei Kindern